Thursday, November 16, 2006

Skizze Essay 1

Essay 1: Der erste Paradigmenwechsel in der anthropologischen Theoriebildung aus US-amerikanischer Sicht

4. Der erste Paradigmenwechsel in der anthropologischen Theoriebildung aus US-amerikanischer Sicht: Arbeiten Sie seine Ursachen heraus, skizzieren sie die wesentlichen inhaltlichen Zielsetzungen und stellen sie die neuen Forschungsansaetze mit ihren VertreterInnen dieser Zeit dar.

(6. Evolutionismus und Neo-evolutionismus: Stellen sie Zusammenhaenge zwischen den Thesen der sozio-kulturellen Evolution von Morgan, Taylor und Frazer und den Ansaetzen von L. White und J. Steward her. Skizzieren sie die thematische Einbettung des Neo - Evolutionismus und stellen sie die Unterscheidungen und Beispiele von unilinearem bzw. multilinearem Evolutionismus dar.)

Ursachen: Evolutionismus und armchair anthropology war ueberkommen; Expeditionen zeigten, dass eine intensivere Auseinandersetzung mit Gesellschaften und Kulturen notwendig ist; als Ursache koennen auch die Differenzen in politischen Belangen im U. S. - amerikanischen Raum betrachtet werden: WASPs und Mitlaeufer im Gegensatz zu juedischen Immigranten, die dem europaeischen Antisemitismus flohen;

inhaltliche Zielsetzungen: Perspektive Boas > in der Gesellschaft arbeiten; Sprache und Begrifflichkeite erlernen, damit Denken und Kultur besser verstaendlich sind; Theoriebildung erst nach eingehender Beschaeftigung mit den partikulaeren Situationen;

"neue" Forschungsansaetze: Kulturen werden als relativ verstanden; Kulturen koennen nur aus sich selbst heraus verstanden werden; Kulturhistorismus; alle Menschen sind psychologisch gleich;

VertreterInnen: Schueler Boas der ersten, zweiten und dritten Generation.

Barth, Frederik / Gingrich, André / Parkin, Robert / Silverman, Sydel 2005: One Discipline, Four Ways

Folgend ein Erfassen des englischen Texts in meiner Erstsprache, Deutsch. Diese Uebersetzung in eine deutschsprachige Begrifflichkeit dient dazu, den Essay in deutscher Sprache zu schreiben [Anmerkung Amber: Ich muss mir die Texte uebersetzen, weil sie sonst "im Englischen bleiben" - in meinem Denken: culture traits sind beispilsweise schwierig uebersetzbar, ohne in einseitige Kategorisierungen zu fallen]

Silverman, Sydel: The United States 257 - 347

The Boasians and the Invention of Cultural Anthropology 257

Der erste wichtige Gelehrte des 19. Jahrhunderts war Lewis Henry Morgan. Morgan vertrat den Stamm der Seneca als ausgebildeter Anwalt bezueglich Landrechten. Manche argumentieren, dass sein Interesse an den Verwandtschaftsbeziehungen der Iroquois und seine Publikation der vergleichenden Studien der Verwandtschaftssysteme 1870, die Grundlage fuer die Erforschung des Themas Verwandtschaft in der Anthropologie war. Morgan nahm diese Verwandtschaftsstudien als Ausgangspunkt fuer eine breitere Theoriebildung der sozialen Evolution, welche er in Ancient Society 1877 darlegte. Diese Arbeit beeinflusste Marx und Engels, und spielte eine strategische Rolle in der amerikanischen Anthropologie des zwanzigsten Jahrhunderts. Mit dem Fortschreiten der westlichen Expansion enstanden praktische, sowie intellektuelle Motive, Wissen ueber Indianer, American Natives, zu sammeln. [Amerkung Amber: Wie in der Vorlesung von Professor Gingrich vorgetragen, spielte die Zeit des Kolonisatoren eine wesentliche Rolle, denn die "Eroberten" sollten "beherrscht werden wollen", als in einer weniger entwickelten Stufe wahrgenommen, der westlichen, zumeist, christlichen Erkenntnis zuzufuehren und leicht, weil "erforscht", auszubeuten.]

Bio: http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/klmno/morgan_lewis_henry.html
Theorie: http://www.mnsu.edu/emuseum/cultural/anthropology/Morgan.html
Ancient Society: http://gfdl.marxists.org.uk/reference/archive/morgan-lewis/index.htm

John Wesley Powell war ein unermuedlicher Sammler indianischer Sprachen und Gebraeuche. Powell, ein Held des amerikanischen Buergerkrieges, wurde zum Direktor des U. S. Geological Survey ernannt, und 1879 zum Direktor des neu begruendeten Bureau of American Ethnology, ein Amt, das er bis zu seinem Tod bekleidete. Powell professonialisierte das Studium der amerikanischen Ureinwohner in einem evolutionistisch interpretierten Rahmen. Manche Ethnologen des Bureaus betrieben Feldforschungen unter abenteuerlichen Umstaenden an den Grenzen und vertraten eine andere Stroemung als Boas: Kritiker monierten, dass Boas diese Vorlaeufer und fruehen Ethnologen, so auch Morgan, aus dem anthropologischen Gedaechtnis streichen wollte, als er das Projekt die neue Disziplin zu erarbeiten in Angriff nahm.

http://www.nps.gov/archive/grca/photos/powell/pages/career.htm
http://www.powellmuseum.org/MajorPowell.html
http://en.wikipedia.org/wiki/John_Wesley_Powell

Die instituionaliserte Anthropologie begann also in Museen und in Regierungsagenturen. Das National Museum of the Smithsonian, das Peabody Museum in Harvard, und das American Museum of Natural History (AMNH) in New York wurden in der Mitte des 19. Jahrhunderts begruendet, dort entstanden innerhalb kuerzester Zeit archaeologische und ethnologische Abteilungen um zu sammeln und zu bewahren. So wurde die Forschung institutionalisiert: die Jesup Expedition des AMNH im Jahre 1894, beispielsweise, fand frueher statt [Anmerkung Amber: Leider noch keine Internetquellen zu den Expeditionen 1894 gefunden] und fokussierte mehr auf Anthropologie als die Torres Straits Expedition der Briten. 1893 fand die Columbian Exposition in Chicago statt, die das Field Museum hervorbrachte. Eine Schluesselfigur der Anthropologie in den Museen war Frederick Ward Putnam, er richtete auch die ersten akademischen Departments in Columbia, Harvard, Chicago und Berkley ein. Putnam war Franz Boas Mentor, er beschaeftigte ihn bei der Chicago Exposition, spaeter im AMNH.

Smithsonian: http://www.si.edu/resource/faq/nmai/start.htm
Peabody: http://www.peabody.harvard.edu
AMNH: http://www.amnh.org/science/articles/science.php
AMNH Archiv: http://anthro.amnh.org/anthropology/databases/pubs/find_aid_xml.htm
Field Museum: http://www.fieldmuseum.org/research_collections/anthropology/history.htm
Putnam, Boas: http://www.fieldmuseum.org/research_collections/anthropology/donnelley/donnelley_history.htm

Boas betrat die anthropoloische Szene 1883, als er nach Baffin Island in das Gebiet der Central Eskimo reiste um geographische Studien durchzufuehren. Als Ethnologe arbeitete er dann ein Jahr mit Adolf Bastian im Koeniglichen Ethnologischen Museum, Berlin. Bastian und Rudolph Virchow beeinflussten seine Auseinandersetzung mit Kultur im amerikanischen Kontext [Anmerkung Amber: Feest/Kohl ? Hauptwerke der Ethnologie 2001: 53]. Nach einer weiteren Feldforschung an der Nordwestkueste Nordamerikas, entschied er sich in den USA nieder zu lassen und nahm verschiedene Positionen als Editor und Kurator in Museen ein. Er fasste in der amerikanischen Anthropologie um 1895 Fuss, diesmal auf institutioneller Basis im AMNH und der Universitaet von Columbia. Das (Gravitations-)Zentrum der amerikanischen Anthropologie war damals Washington. Die Mitglieder des Bureau of American Ethnology, des Geological Survey und des National Museum begruendeten 1879 die Anthropological Society of Washington und institutionalisierten den American Anthropologist ein Jahrzehnt spaeter. Die Zeitschrift blieb in Washington bis 1902, dann wurde sie der neu entstandenen American Anthropological Association (AAA) uebertragen. (Die American Ethnological Society in New York ging dieser voran.) Die Gesellschaft in Washington war von einer evolutionistischen Tradition dominiert, so wie die meisten ethnologischen Schriften und Ausstellungen dieser Zeit.

Boas: http://www.mnsu.edu/emuseum/information/biography/abcde/boas_franz.html

Bekannt als die Washington/Cambridge - Achse, mussten Boas und Boasianer gegen eine typologisierende, rassistische, physische, Anthropologie oppunieren. Ales Hrdlicka am National Museum, spaeter Earnest A. Hooton in Harvard, vertraten diese. Boas Historizismus stand auch einer Archaeologie gegenueber, die die Urspruenge der Menschen in Amerika lange verneinte. Boas kaempfte auch gegen Charles B. Davenport, einem Vertreter der Eugenik. Boas und die Boasianer standen auch in Opposition, als um die Dominanz im National Research Council und anderen Forschungsfonds, um die Kontrolle in der AAA, im American Anthropologist und in den neuen Departments gestritten wurde. Die Diskrepanzen waren theoretischer Natur, evolutionistische gegen historizistische Modelle, rassistische gegen kulturdeterministische, fixe Typologien gegen Plastizitaet, gegenueberstellend. Es war eine kulturelle Divergenz von hauptsaechlich alten, amerikanischen WASPs (Anmerkung Amber: White Anglo Saxon Protestans) auf der einen Seite und meist juedischen Immigranten, Boasianer, auf der anderen. Und die Situation korrespondierte oft mit politischen Differenzen bezueglich der Immigrantenpolitik, race relations, Nationalismus, Isolationismus im ersten Weltkrieg, American Indian Separatismus und "Assimilation", und vielen anderen Themen.


Boas und die Boasianer bis zum ersten Weltkrieg 261

In den 1890er Jahren begann Boas erste, kritische Essays ueber das evolutionistische Denken zu veroeffentlichen, wie "The Limitations of the Comparative Method" (1896). Mit comparative method meinte er die spezifischen Prozeduren der Evolutionisten. Er benutzte jeden Punkt zur Kritik. Obwohl er kein systematisches, theoretisches magnus opus schrieb, wurde sein Paradigma klar, als er The Mind of Primitive Man 1911 veroeffentlichte. Ein Buch fuer Laien, als auch fuer professionelles Publikum. Boas Paradigma setzte die, wie angenommen schnell verschwindenden, native cultures als Prioritaet in der Anthropologie. Feldforschung war der Schluessel zu Studien, obwohl das damals eher das Aufzeichnen von Texten und das Anhoeren der Alten bedeutete, weniger die teilnehmende Beobachtung der spaeteren Ethnographie. Sein Paradigma sah die four fields der Anthropologie als komplementaere Richtungen der Studien und historischen Rekonstruktion der nicht verschrifteten Kulturen. Er betonte die Sprache in Bezug auf das Arbeiten mit Text, um eine Sicht auf das Denken der Menschen - Natives - zu bekommen.

Anthro Base: http://www.anthrobase.com/Search/index.html
Boas Essay: http://ksa-geschichtetutorium.blogspot.com, http://geschichtetuto.blogspot.com/
Boas Collection: http://www.amphilsoc.org/library/mole/b/boas.htm

Dieses Paradigma bezeichnet einen Wandel in der Konzeption von Kultur. Es definierte Kultur als das Materielle, Soziale und Symbolische inkludierend. Boas Paradigma setzte Kultur nicht mit Zivilisation gleich, so wie Tylor es definierte, sondern betonte in vielfaeltigem Sinne die Diversitaet der Kulturen und Kulturen als Kontext erlernten, menschlichen Verhaltens. (Soweit kontrastierte dieses Paradigma die damalige Psychologie, die Instinkte betonte.) Dieser Kulturrelativismus, auch Kulturpartikularismus genannt, besagt, dass Kulturen in ihren eigenen Termini und historischen Kontexten zu verstehen sind, bevor Theorien formuliert wuerden. Boas Paradigma des historischen Partikularismus bot an, das evolutionistiche Modell der Menschheitsentwicklung ueber deterministische Stufenentwicklung zu kritisieren. Diffusion und Kulturkontakte als primaer historische Mechanismen mussten Platz machen fuer die Interessen, wie Kulturen in sich patterned sind. Dieses Interesse ruehrte von diffusionistischen Studien her, denn solche patternsbeeinflussten in der Situation des Kontakts die Annahme von (culture) traits, somit wurde der Blich auf die Beziehung zwischen Kultur und Individuum (Anmerkung Amber: Stichwoerter patterns of culture bei Benedict, Ruth und culture and personality school im zwanzigsten Jahrhundert, dazu auch Stocking, George Jr.). Nach Boas Paradigma waren Kulturphaenomene also relativ (und) autonom, distinkte Phaenomene, wie Sprache, Kultur und race, sollten Thema besonderer Untersuchungen werden. Boas stellte auch die damaligen Ansprueche der physischen Anthropologie in Frage, mit ihren Zuschreibungen von geistigen und physischen Eigenschaften zu spezifischen races. [Anmerkung Amber: Boas wies nach, dass anthropometrische Daten nicht mit vorgestellten geistigen, physischen oder sonstigen Eigenschaften einer oder mehrerer races korrelierten, siehe Feest/Kohl - Hauptwerke der Ethnologie 2001: 56]

Cultural Anthropology: http://en.wikipedia.org/wiki/Cultural_anthropology
Cultural Relativism: http://en.wikipedia.org/wiki/Cultural_relativism

So werden in Boas Paradigma zwei Stroemungen ersichtlich: die historische Richtung, im Sinne von Spuren in Prozessen, die fuer die Verbreitung von culture traits festgemacht werden konnten, und die psychologische Richtung, die zwei Apekte beinhaltete. Die mentalistischen Interessen, wie menschliches Denken zu unterscheiden sei in variierenden Kulturen, und die integrativen Interessen, wie diese culture traits zusammen passen koennten. Beide wurden von seinen Schuelern aufgegriffen und modifiziert. {Diese zwei Stroemungen korrespondierten auch mit Boas epistemologischen Zugaengen, dem historischen und dem wissenschaftlichen. Anmerkunf Amber: Bearbeiten}

Boas Schueler der ersten Generation vor dem ersten Weltkrieg betonten die erste Stroemung, obschon grosse Unterschiede ausgemacht werden koennen - zwischen den Schuelern und Boas Lehre - die Bedeutung der culture history und wie diese studiert werden sollte. Die zweite Generation seiner Schueler in den 1920er Jahren widmete sich eher der zweiten Stroemung, die Prinzipien der synchronen kulturellen integration und individuellen Enkulturation erforschend. Die dritte Generation im Columbia der 1930er Jahre kombinierte diese Stroemungen, indem sie kulturhistorisch auf wirkliche Gegebenheiten - historischen Beziehungen ausgeloest von der Verbreitung von culture traits gegenuebergestellt - fokussierten. Dieses Augenmerk inkludierte Reaktionen der Natives auf aeussere Konditionen und richtete sich auch auf den groesseren, situativen Kontext.

Boas, wie auch seine Schueler, Institutionen: Alfred Kroeber dissertierte 1901 bei Boas und begruendete das anthropologische Department an der University of California in Berkley, Robert Lowie begleitete ihn, Frank Speck an der University of Pennsylvania, Fay-Cooper Cole und Edward Sapir an der University of Chicago (spaeter Sapir in Yale), Melville Herskovits an der Northwestern University, Alexander Goldenweiser an der New School for Social Research (wo er Leslie White und Ruth Benedict lehrte), und viele andere. Die meisten dieser Einrichtungen gestalteten sich nach Boas four field approach, obwohl Boas selbst und Columbia eher ethnologscihe und linuistische Studien bevorzugten. Viele Forschungsvorhaben passierten damals in Museen, und Boas foerderte sowohl die Professionalisierung der Museen, sowie seine StudentInnen in Schluesselpositionen, wie Clark Wissler am AMNH. Boas erfand auch professionelle Organisationen, wie die AAA 1902, erst 1907 wurde er Praesident derselben; oder Journale; und anthropologische Repraesentation in nationalen Organisationen. Boa kommentierte die Oeffentlichkeit oft, den Nationalismus, race relations, Erziehung, die Eugenik, nicht im Sinne eines speziellen politischen Programms, sondern mit der Ueberzeugung, dass anthropologisches Wissen soziale Loesungen wegweisen koenne. Boas war ein selbstkritischer Mensch, veraenderte seine Ansichten und fruehere Meinungen haeufig.

Als Boasianer wurden Boas Schueler bezeichnet, obwohl grosse Unterschiede zwischen ihnen vorhanden waren. Die erste Generation, nach George Stockin Jr 1974, teilte sich in "strikte", wie Lowie, Leslie Spier, Herskovits, Wissler und Speck, und "rebellische", wie Kroeber, der seinen eigenen Historizismus entwickelte, und Sapir, Boasianer. Sapir konzentrierte sich auf das Individuum und entwickelte linguistische Ansaetze, die sich mehr und mehr von Boas unterschieden. Die dritte Gruppe der Boasianer nach George Stocking Jr., "entwickelte", hiessen Ruth Benedict und Margaret Mead. Paul Radin, einer der "Rebellen", beschaeftigte sich vor allem mit der Weltauffassung der primitive philosophers.

Barth, Frederik / Gingrich, André / Parkin, Robert / Silverman, Sydel (2005): One Discipline, Four Ways: British, German, French, and American Anthropology. USA: University of Chicago Press.
Feest, Christian F. / Kohl (2001): Hauptwerke der Ethnologie. Kroener.

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