Thursday, July 28, 2005

Transcript


Eintrag 71:

Anmerkung / Text:
Interview Susanne, Philosophin
Poetzleinsdorf, einers schoenen Sommertages beim Heurigen 1994

Q: Fangen wir irgendwie ganz einfach an: Wie bist du nach Wien gekommen? Oder wodurch? Was hat dich dazu veranlasst?
A: Das war eigentlich eher zufaellig, weil ich wollt´nach der Schule unbedingt weg - und - also waehrend der Schulzeit wollt´ich eigentlich immer nach London - oder, ja, nach Frankreich, also das ist mir auch irgendwie so vorgeschwebt - das ist aber alles schwierig gewesen aus finanziellen Gruenden, da hab ich auch niemanden gekannt. Also, ich wollt irgendwie meine Eltern da nicht ausrauben und dann sagen, ok, ich muss jetzt unbedingt dorthin. Und alles - irgendwie - von Wohnung bis Einleben, alles was man so braucht im Ausland, um sich einen neuen Anfang zu checken. Und dann bin ich eben nach Wien gekommen, weil ich dort viele Verwandte hab und auch Wien schon ziemlich gut gekannt hab, weil da oft war, weil ja meine Grossmutter ja aus Wien ist. Und ich wollt eigentlich jetzt erst einmal ein Jahr eben von Muenchen weg, oder einhalb Jahr, ein Jahr hab ich mir gedacht, sag ich mal, und schau ich mir das an und dann hab ich eben angefangen dort zu studieren. Ich wollt sowieso Philosophie studieren und dann ist eben der Gedanke auch gekommen das in Wien zu machen.
Q: Und - was war denn dein erster Eindruck von Wien?
A: Das ist schwer zu sagen, weil ich das irgendwie schon von vielen Besuchen gekannt hab. Also ich war irrsinnig oft in Wien, schon seit ich klein bin, wiegesagt, also auch in diesen Parken und lauter solche Dinge. Meine Grosseltern haben halt auch dieses Haus gehabt ausserhalb, also immer Wienerwald am Tulbinger Kogel, draussen, und das hab ich halt... Aber ich muss sagen - also im Nachhinein - ist es mir relativ grau vorgekommen im Gegensatz zu Muenchen, also ich weiss nicht, jetzt - von der Stadt her, von den Auslagen her, obwohl die Haeuser sehr schoen sind. Das hat sich aber sehr veraendert in den letzten Jahren, muss ich sagen. Es ist viel bunter geworden und es ist auch - weiss nicht - lebendiger kommt´s mir jetzt vor - als es frueher war.
Q: Und was hattest du fuer einen Eindruck von den Menschen? Die hier leben?
A: Also was mich - ahm - immer schon amusiert hat, beziehungsweise auch irre gefuehrt hat ist irgendwie dieser breite Wiener Dialekt, wobei ich sagen muss dass ich diesen leichten Wiener Dialekt sehr schoen find. Und - das - das - ahm - die Buehnensprache, die in Wien irgendwie gepflegt wird, die eine andere ist, als diese, was weiss ich - zum Beispiel in Berlin, in Berlin die Buehnensprache ist ja sehr viel haerter - und das find ich sehr angenehm und melodisch, eigentlich. Also auch eben die Sprache, die irgendwie die aeltere Generation gehabt hat, sowie meine Grossmutter und Tante, und so weiter, also das mag ich sehr gern.
Q: Mmh. Mmh.
Und sonst die Leute - halt ja - ahm - bisschen langsamer als ich´s gewoehnt war, also alles irgendwie, sie gehen langsamer, sie reagieren langsamer, und so weiter, ja - also das haengt alles irgendwie miteinander zusammen. Und sonst eigentlich recht - recht freundlich, wenn man ueber den Anfangskram hinwegt kommt, und sind - teilweise auch sehr charmant. Es kommt immmer drauf an, wen man erwischt, natuerlich.
Q: Wie war dein Einstieg in Wien? Wodurch kennst Du - WienerInnen - mmh - oder Dein Einstieg in die sogenannte Szene?
A: Ja, also, ich hab - von frueher eben, also - durch auch Bekannte von meiner Mutter, deren Kinder, also zwei Toechter und einen Sohn, hab ich auch gekannt, mit der einen Tochter war ich relativ viel unterwegs, und Beginn meines Studiums, und dann eben ueber die Uni hab ich sehr viele Leute kennen gelernt. Also, zwei speziell eben, also Freundinnen von mir, die ich auch seitdem kenne, und immer noch irgendwie regelmaessig treffe - eigentlich mehr oder weniger. Von denen eine eben auch in der Naehe gewohnt hat von mir. Das hat sich dann auch - so z´amgschweisst, irgendwie, wir haben auch dasselbe studiert und waren viel unterwegs, und so. - Und so hab ich dann auch die ganze sogenannte Szene Wien - Ausgehen und Lokale, Konzerte und Theater, und alles moegliche kennen gelernt.
Q: Wie bist du selber dazugekommen? In Hinblick auf messing - cheers - zu werken, zu arbeiten, zu jobben - ueber´s Studium oder war´s von Anfang an ein ganz persoenliches Interesse von Dir?
A: Ja, also das - nein, das ist eigentlich ueber einen Bekanntenkreis und Freundeskreis gelaufen. Weil ich also, sowieso nie immer studieren wollte, und nicht nur theoretisch arbeiten wollte, und das ist mir dann eigentlich sehr gelegen gekommen. G´rad am Anfang, also wie das auch gegruendet worden ist. Bei der ersten Aktion war ich da eher am Rande beiteiligt, und mir das immer anzuschauen, wie das alles aufgebaut wird, und selber -
Q: Darf ich unterbrechen, kurz? Was war die erste Aktion in Wien? Performativ?
A: Ach so, na das war die Performance am Naschmarkt. Nein, Bloedsinn - oder? Jetzt weiss ich nicht -
Q: Wie war das in den Zeiten von Znort - ?
A: Na ja, das hat mit messing nichts zu tun gehabt. Ok, ich mein, war auch so - da -
Q: Was war´n da deine kulturellen Taetigkeiten?
A: Na, da hab ich nicht so viel damit zu tun gehabt, ausser dass ich bei dem Video mitgemacht hab und solche Dinge. Und halt herumgefahren bin, und so, und da war eigentlich eher so mit dem Aussendienst - Konzertgeschehen, das sogenannte, angeschaut hab. Und dann - ich weiss jetzt nicht, ob die Verlagspraesentation vorher war, oder - oder der, diese Naschmarktperformance. Das weiss ich nicht, also bei diesen zwei - die waren relativ -
Q: Ich glaub der Verlag -
A: Glaub, das war noch vorher.
Q: War das im Stein?
A: Nein, das war in der Galerie Exist -
Q: Davor. Im Februar davor.
A: Ja genau, mmh. Da hab ich eben auch mitgemacht.
Q: Was hast du da gemacht?
A: Ich hab da-
Q: Hast Du gelesen?
A: Nein, ich hab da auch ein Buch gehabt. Eben einen Text zu interpretieren. Und da sind dann Installationen gemacht worden zu den paar Buechern, ich glaub es war´n acht oder zehn, die bei der Neugruendung, also das war vorher - irgendwie ein halbes Jahr vorher - die bis dahin erschienen worden sind - und da ist eben auch offiziell dieser Verlag praesentiert worden in Wien, der hauptsaechlich philosophische, aber auch literarische Buecher verlegt.
Q: Hast Du frueher fuer diesen Verlag auch geschrieben?
A: Nein.
Q: Ok. Und, und dann kam messing?
A: Das war schon ein messing -
Q: Turia & Kant Verlagspraesentation?
A: Das war schon ein messing event.
Q: Die Praesentation vom Verlag.
A: Genau.
Q: Und dann kam die Naschmarktaktion?
A. Ja -
Q: War das MarktWasserKrieg?
A: Genau.
Q: Wie warst du da beteiligt?
A: Na, da war ich organisatorisch, also so Polizeispaerenzchen mit Absperren, und so weiter, und dann eben auch die Leute, also Maske eigentlich machen. Ja, und zum zweiten, die Szenographie vielleicht, also von aussen beurteilen wie das alles ablaeuft, und Tips geben und so. - Aber eigentlich nicht Konzeptarbeit.
Q: Szenologie - :-)))?
A: Ja, Szenographie nennt sich das, bis zum Tanz.
Q: Und so wurde deine Arbeit bei messing immer intensiver, und wichtiger?
A: Genau. Also das hat eigentlich, ja das ist , je nachdem wie weit ich involviert war, wie weit´s mich interessiert hat. Ich hab dann eigene Projekte gehabt, von denen wenige zustande gekommen sind, leider. Und, ja - und - ja - also in weiterer Folge, letztes Jahr, diesen Katalog gemacht, den Sammelkatalog von messing. - Das Logbuch mit Beitraegen aus verschiedenen Sparten, also Theoretische, genauso wie Praktische, und Beschreibungen und Photos und alles Moegliche.
Q: Kann man diesen Katalog als - ahm - theoretischer Ueberbau zu messing betrachten?
A: Wuerd ich - ja - vielleicht schon, aber nur zum Teil. Ich sag eben deswegen, dass er theoretisch und praktisch ist. Also praktisch in dem Sinn, dass er halt wirklich auch Projekte beschreibt und dokumentiert. Und nicht wirklich, ja es gibt schon Texte, die irgendwie grundlegend sind fuer das, wie verschiedene Leute von messing eben sehen, dass das funktionieren sollte.
Q: Was ist messing fuer Dich? Male die Funktion nach?
A: Lacht -
Q: Das ist eine schwierige Frage, klar -
A: Ich "liebe" diese Frage.
Q: Wir haben oft darueber geprochen -
A: Ja - also, es ist gedacht als -
Q: Im Nachhinein betrachtet, oder nach einigen Jahren der Erfahrung, doch schon. Von Veranstaltungen. Der Titel nach Aussen ist, so viel ich weiss, "Gruppe fuer kulturelle Produktpraesentation". Was verbirgt sich dahinter?
A: Ja - genau - das verbirgt sich, das ist eigentlich, obwohl der Name scheusslich ist, recht gut beschrieben. Und zwar soll das eben heissen, dass, kann man sagen mit dem Schlagwort work in progress, dass die Arbeiten eben gezeigt werden im Sinne des Erarbeitens, auch schon. Also das nicht nur das Fertige und Geschliffene endgueltig gezeigt wird, und vorgefuehrt wird oder ausgestellt wird, sondern dass auch der Weg dorthin irgendwo beschrieben wird, der meistens sehr interessant ist, oder meistens auch interessanter ist als da nur eben das Fertige zu haben.
Q: Also nur das fertige Produkt auszustellen und einem groesseren Publikum zu praesentieren?
A: Genau. Ja - es soll auch im Sinne auch - eben des Involvierens des sogenannten Publikums, so des stattfindenden Austausches und deswegen auch diese Art von Netzwerk, das die Leute eben sich einklinken koennen, und dann sagen auch ok, das wuerd mich auch interessieren. Ich moechte eben beim naechsten Projekt auch da mitarbeiten, oder ich hab meine eigene Idee dazu. Das ist nicht irgendwie so ein fixes Teil ist, wo - irgenwie, ich weiss nicht - eine gewisse Anzahl von Leuten arbeiten, sondern das es halt relativ offen ist. Das bringt natuerlich das ganze Chaos dann mit sich, das mitlaeuft.
Q: Das heisst messing ist die Gruppe, die Produkte praesentiert und das Umfeld, das weitere Umfeld dazu auffordert, mitzutun, mitzuarbeiten, mit zu konzipieren?
A: Sozusagen. Wobei das natuerlich nicht wahllos ist, weil´s - man kann schon sagen, es ist, geht hauptsaechlich um Theater und Performance. Und literarischer und musikalischer Bereich. Und bildnerischer natuerlich auch, wobei´s eigentlich nicht Ausstellungen in den normalen Galeries sind. Also, es geht mehr in Richtung Installationen und so.
Q: Welche Kuenstler haben bei messing ausgestellt? Performances veranstaltet - mit messing gearbeitet?
A: Ganz verschiedene. Wie gesagt aus dem Tanzbereich einige, dann welche die eher aus dem Sprechtheater, beziehungsweise Performancebereich kommen, also eher das klassische Theater. Dann also Leute die, sowohl Leute, die eben die bildnerische Kunst studiert haben, als auch solche, die sich das selber - beigebracht haben, wobei der Unterschied auch noch recht interessant ist.
A: Ja - Der Zugang ist einfach ein anderer.
Q: Mmh. Wieso?
A: Ja - weil zum Teil, also, siehst du schon aus welcher Klasse jemand kommt, oder so.
Q: Was siehst Du dann?
A: Nein, ich kann das im Nachhinein dann sagen, wenn ich mir das dann anschau. Also, g´rad wenn man vergleicht in der IMCO waren da verschiedene Beispiele.
Q: In der IMCO? War was?
A: In der IMCO, das war 1992 eine Teilveranstaltung von der grossen ""Eis.Ort.Zeit" hat das geheissen, s´hat drei Schauplaetze gehabt, naemlich den Gasometer, die IMCO Fabrik, die ehemalige Feuerzeugfabrik eben, und dann den Wasserturm in Favoriten. Und in der IMCO waren eben hauptsaechlich Ausstellungen und Konzerte in diesen alten Fabrikshallen, die inzwischen abgerissen sind.
Q: Die sind schon abgerissen?
A: Ja, das gibt´s nimmer. Da kommt jetzt ein Wohnbau hin. - Das war ja toll, mit einem gruenen Hof und so. Und diesen Oberlichthallen. - Und da wars eben, da hat´s eben so, verschiedene Sachen gegeben. Von zwei Leuten, die von der Akademie, beziehungweise von der Angewandten gekommen sind, und eins eben von einem, der von ganz woanders kommt, der zwar auch studiert, aber eben nicht Kunst studiert.
Q: Welche Kuenstler waren das damals?
A: Das waren eben die Romana Holl und Katharina Mathiasek. Und der andere war eben der Andreas Schaffauer, der diese Vogelhofhaeuser gemacht hat.
Q: Vogel - ?
A: Vogelhofhaeuser. In der Halle. - Also mir kommt halt vor, dass die Leute, die sich selber damit beschaeftigen sehr viel freier an das Ganze herangehen, weil sie nicht die ganze Zeit eben auch so Vergleiche haben und sich dann andererseits denken, na ich will aber nicht in die Richtung gehen, von der ProfessorIn, oder von irgendwelchen lebenden Dogmen, die g´rad herumrennen und die irgenwie den Stil angeben, den sogenannten.
Q: Und wie ging´s dann weiter - mit messing?
A: Dann ging´s -
Q: Oder mit der Gruppe?
A: Nachdem war das Berlinjahr 1993, bei dem dieser Kulturaustausch, beziehungsweise diese Kulturreise sozusagen eigentlich - ins Tacheles, dieses besetzte Kunsthaus in der Mitte von Berlin, und da sind einige Projekte. Wir haben also eine Tanzperformance, ein Theaterstueck, dann eine grosse Ausstellung, und -
Q: Von wem waren die Veranstaltungen in Berlin?
A: - von verschiedene Leuten, also zum Teil, die eben schon laenger dabei waren, zum Teil dann eben auch welche, die fuer das Projekt speziell eingestiegen sind - also so eine Feuerinstallation. Dann eben diese zwei schweizer Kuenstler, die diesen Almabtrieb, oder auch - ich weiss nicht, ob das jetzt nur der Untertitel war, oder der Arbeitstitel - gemacht haben. Wir sind dann, da haben sie so ein Band laufen gehabt, und das ist auf der Strasse gelaufen, da hast du eine Kuh bruellen gehoert, also so muhen, das war koestlich.
Q: Wer hat das - ?
A: Na, der Erik und der Matja. Das sind zwei Schweizer, die auch im Atelier sind. Die Reisen da ziemlich viel herum, also das sind zwei schraege Voegel.
Q: Sagst Du mir die Namen?
A: Ich verwechsel das jetzt immer. Ich glaub der heisst Erik Schuhmacher und Martin Hodel. Aber das kann sein, dass die Nachnamen vertauscht sind. (Lacht.)
Q: Also Schumacher und Hodel. - Oder umgekehrt.
A: Genau, also die steh´n im Katalog d´rin und zwar falsch. (Lacht.)
Q: Mmh. Also im Katalog steh´n sie falsch. Also, das heisst, wenn ich im Katalog nachschau, dann tausch ich´s um.
A: Genau.
Q: Aha, das war dann das Berlinjahr. Ahm - jetzt im Nachhinein betrachtet, abgeschlossen mit 1993, die Entwicklung von messing. Wie betrachtest du die? Von einer kleinen Gruppe - ahm - von Akteuren? Ich nenne das jetzt ganz bewusst Akteure, um das Wort Kuenstler zu vermeiden. Und zwar einer groesseren Gruppe, die sich auch theoretisch entwickelt hat, und so, und auch die Aktionen mit der Theorie parallel weiterentwickelt hat? Oder - wo - vielleicht sollt ich die Frage anders stellen - wo siehst du die Entwicklung? Die Evolution - gibt es eine Evolution der Gruppe? (Beide lachen.)
A: Ja, das glaub ich schon. Und zwar eben durch das - ahm - also allein durch diese Berlinsache, weil da sehr viele Leute eingebunden worden sind. Das es sich mehr verzweigt, das ist auch nicht der Sinn also von dem Netzwerk, jetzt nicht nur - ahm - wie soll man sagen, nicht nur theoretisch, sondern auch wirklich oertlich, das sich das verzweigt, und das man halt weiter herumkommt, und das man aus verschiedenen sogenannten Kulturstaedten im europaeischen Raum, obwohl auch Ueberseeleute schon dabei waren, also Australien und Amerika -
Q: Aus Australien und Amerika?
A: Ja. Der Tim.
Q: Tim Boykett.
A: Aus New York. Der Dan. Peter. Peter Greenbaum. - Ja, das auch ein groesserer Austausch dann stattfinden kann.
Q: Da geht es vor allem um die Kommunikation?
A: Die Kommunikation und Mobilitaet natuerlich dadurch auch. Also, es ist angestrebt.
Q: Was fuer eine Art von Mobilitaet ist projektiert, oder erwuenscht?
A: Sowohl das man selber rausfaehrt, ja, sowohl dass man selber rausfaehrt und eben mit Leuten dann woanders arbeiten kann, als auch dass man Leute einlaedt und einbindet, hier was zu tun.
Q: Das heisst es geht um die direkten, menschlichen Kontakt?
A: Ja, eigentlich schon. - Ja, es ist nicht so, dass es eine streng theoretische Schiene gibt, und man sagt, ok, das Projekt ist gut, deswegen nehmen wir das, sondern es muss auch immer irgendiwe sowas wie ein - ideologische - das vielleicht nicht das richtige Wort ist, aber so ein Basis muss es schon geben mit den Leuten. Also, es wird jetzt nicht danach ausgewaehlt, nur dass das Projekt toll ist, sondern dass auch irgendwie der Rahmen stimmt. Vielleicht verkuerzt gezeigt.
Q: Verkuerzt bezeichnet. Mmh - ja, dann interessiert mich noch, wie bist du zum WUK gekommen? Wie hat sich da die Kommunikation ergeben? Im Sinne von Netzwerk. Das WUK ist ja auch, denk ich jetzt so, auch eine grosse Gruppe, die anders organisiert, die auf andere Art und Weise organisiert ist? Wie ist da die connection - Verbindung? Wie kam das zustande?
A: Also, das muss ich sagen, ist eine sehr lose Verbindung gewesen. Also, ich war natuerlich ein paar Mal auch dort und hab mir Sachen angeschaut. - (Lacht.) - Ich denk so an diese Aktion, den Bloomsday, diese Ulysses Lesung, da bin ich eigentlich durch die Sybille gekommen. Also - weil du ja dort auch im Proberaum warst und mit den Leuten Kontakt gehabt hast. Und weil mich das irgendwie interessiert hat, denn der Ulysses ist irgendwie ein jahrelanges Projekt ist, also den zu lesen, beziehungsweise immer wieder zu lesen und quer zu lesen. Und deswegen hat mich das Ganze interessiert.
Q: Was war dein aktiver Einstieg ins WUK? Der Bloomsday im Juni 1993?
A: Genau. Diese Lesung, eigentlich.
Q: Im Rahmen von Ulysses.
A: Ja. Mmh.
Q: Was denkst du ueber die Idee eines autonomen Kulturhauses? Einer Station im Gegensatz zu Netzwerk? (Beide lachen.)
A: Na - ich weiss jetzt nicht, was autonom ist. In dem Sinn, mein ich.
Q: Im Sinne einfach von Selbstverwaltung.
A: Naja, ich weiss nicht ob das WUK wirklich als autonom bezeichnet werden kann. Aber ich glaub nicht, dass sie wirklich autonom sein koennen, wenn sie unterstuetzt werden. Also, so lang sowas nicht selber traegt, ich merk das jetzt auch im Vergleich zu messing, zum Beispiel, also es gibt einfach Projekte, die nicht unterstutzt werden, sei es weil sie irgendwie nicht in ein aesthetisches oder politisches oder welches Konzept auch immer hineinpassen.
Q: Aha. Wo sind da jetzt - im Vergleich? Wenn Du das betrachtest, wo sind da die Fronten? Ich glaub man kann das Fronten nennen, die von aussen herangefuehrt werden oder kommen. Die einfach da sind. Ich mein, Du sagst "aus aesthetischen Gruenden, aus politischen Gruenden" -
A: Ja - das ist, das ist ziemlich schwierig, aus aesthetischen Gruenden hab ich deswegen gemeint, weil mir aufgefallen ist, wenn Einreichungen von messing, das immer die Projekte gefoerdert werden, die scheinbar in ein aesthetisches Bild oder in eine aesthetische Vorstellung von dem was messing zu sein hat, hineinpassen und die anderen eben nicht. Das kann natuerlich auch andere Gruende haben, die mir allerdings nicht so bekannt sind. Ich ueberleg mir das natuerlich schon immer, aber es ist ja so, wenn du eine Ablehnung kriegst von Projekten, wenn da der Grund nicht angegeben ist, es sei denn, du gehst den Leuten auf die Nerven, und fragst ja dauernd nach. Aber, das ist glaub ich, also g´rad bei Subventionen fuer die freie Kulturszene, dass immer sehr stark ein Bild entsteht, was das jetzt - ahm - fuer einen Teil, Teilbereich abdecken soll. Welche spezielle Aesthetik, und das von messing ist halt eigentlich immer die, also, laesst sich beschreiben mit Gasometer, Wasserturm, diverse Industriebauten, wie IMCO Halle, also bisschen immer dieses - ahm - edelschrott, wuerd ich sagen. -
Q: Versteh -
A: Und immer natuerlich auch dieses grosse Konzept. Nicht das es jetzt nur ein Theaterfeld ist zum Beispiel, sondern dass es immer irgendiwe zusammengeklinkt ist. Also, sei es Theater mit spezieller Musik dazu, wie´s bei Incubus war. Ja, und eigens gebauten Apparaten dazu, oder eben in der IMCO, dass es teilweise Konzerte waren, Installationen in Hof und Ausstellungen in der Halle. Immer so ein groesseres Ding eigentlich.
Q: Das heisst - aeh - messing wird von aussen so betrachtet, wie´s - eigentlich - von innen her gedacht ist?
A: Mmmh.
Q: Stimmt das ueberein?
A: Weiss ich nicht. Also, nachdem´s natuerlich Leute gibt, also verschieden Leute, die da auch die Konzepte erarbeiten, gibt´s auch verschiedene aesthetische Vorstellungen.
Q: Welche aesthetischen Vorstellungen?
A: Ja, das ist die Frage! Das muss man sich halt anschauen, wie, meinetwegen, ein wie Projekt, wie Anno.Zero, Markt.Wasser.Krieg, wenn man das vergleicht, meinetwegen, mit etwas wie den Ikarus. Oder Autre Monde. Das Tanzstueck, das man jetzt nicht direkt als messing Produktion bezeichnen kann, also -
Q: Und warum?
A: Autre Monde, Astrid Bayer, das ist letztes Jahr gewesen. Auch in Berlin - es ist halt jetzt von messing in Berlin praesentiert worden, sagen wir in dem Rahmen. Vielleicht Ikarus ein besseres Beispiel. S´sind halt, mein, das eine ist der Joao De Bruco, Ikarus, und das andere ist halt Alexander Schuh und Thomas Jelinek gewesen. Das ist ganz - ganz anders.
Q: Das heisst, Du siehst es als Gegenueberstellung. Als Gegenueberstellung auch innerhalb der Gruppe?
A: Na sicher, ich mein da gibt´s verschiedene Vorstellungen, die sich in einem gewissen Sinn vereinbaren lassen. Vereinbaren lassen muessen auch, ja s´ist halt das beide Projekte zustande gekommen sind.
Q: messing liegt auch, liegt unter anderem auch daran, - ahm - dass Projekte, die von - wie soll ich das sagen - von mehr oder weniger unbekannten Kuenstlern, zur Durchfuehrung gelangen.
A: Genau.
Q: Das heisst das messing auch um die Form, junge Talente foerdert.
A: Ja, so wuerd ich das nicht unbedingt sagen. Das wuerde heissen, dass Sachen eingekauft werden, im Sinne von Veranstaltung. S´ist schon so, dass bei solchen Projekten messing immer eingebunden ist. Aber so wie jetzt auch bei Niemandsland, bei dem Theaterprojekt, dass wirklich zusammengearbeitet wird. Und mit der Theatergruppe, das heisst die Installation fuer die Buehne, beziehungsweise die Lesung kommt dann von messing. Also der gesamte Rahmen und die ganze Zusammenarbeit, es ist nicht so, das du den Raum zur Verfuegung stellst, oder das Geld irgendwie aufstellst, die Finanzierung sicherst, sondern das ist wirklich eine Kooperation.
Q: Was fuer eine Art von Kooperation ist da gewuenscht? Wie geartet ist die Kooperation? Wie sehr greift messing in die Projekte ein?
A: Na erstens einmal, bei dem Ganzen, bei der Auswahl, ob man sich das vorstellen kann, dann mitzuarbeiten, ob´s irgendwie in die Vorstellungen reinpasst - und - dann natuerlich organsiatorisch. Ja, ich weiss nicht, was man da noch sagen soll dazu, das heisst die Proben auch gemeinsam erarbeitet werden, das heisst, dass es nicht ein fertiges Stueck ist, dass dann in einen messing Rahemen eingepflanzt wird. Also, das auf keinen Fall, sonst wuerd sich´s nicht von anderen unterscheiden.
Q: Das heisst messing nimmt Einfluss auch auf die Aktivitaeten der Akteure.
A: Ja, es ist halt so, es ist sowieso nicht ein fertiges Stueck, das dann praesentiert wird, sondern es wird gemeinsam erarbeitet, so koennt man´s vielleicht sagen. Also, auch durch diese Konfrontation mit anderen Leuten und anderen Vorstellungen, dass da eben das passiert, weil sonst waer´s ja ein nebeneinander Herlaufen, weil der eine stellt dann die Organisation zur Verfuegung und den Raum und das Geld, und der andere setzt ein fertiges Produkt rein. Das waer nicht inetressant.
Q: Welche Inhalte repraesentiert messing?
A: Haha, freie Assoziation - ! (Lacht.)
Q: Oder - woran gelegen ist messing?
A: Ahm - das - das Spektrum des Kulturhorizonts zu erweitern.
Q: In welchem Sinne?
A: In dem Sinne, dass die staendigen Sachen, die sowieso ueberall in den Grossstaedten Europas herumfaehrt und auch Uebersee, sich sehr aehnlich sind. Das also eben das mehr aufzumachen, also fuer Initiativen, die eher am Rande sind, oder die eher ein kleineres Publikum haben. Ein bisschen an die Oeffentlichkeit zu tragen.
Q: Aus welchem Grund denkt messing, dass diese Projekte am Rande, oder unbekannte Projekte, einem breiteren Publikum vorgestellt werden soll?
A: Na, erstens einmal, weil´s jetzt schwierig ist, also das ist die Mehrzweckidee, es schwierig ist allein so etwas zu machen. Und dann denk ich mir Eintopf-, sogenannte Kultur, das momentan Techno ist zum Beispiel, das wird sowieso finanziell gefoerdert, uund unterstutzt. Und das ist eben ein Massenphaenomen. messing ist nicht interessiert Massenphaenomene zu begleiten.
Q: Wieso? Aus welchem Grund? (Ja moment, das Mikrofon wird jetzt ausgetauscht...)
A: Na ganz einfach. Also, meine persoenliche Ansicht: Weil´s uninteressant ist.
Q: Was, wie bitte? - Was ist uninteressant.
A: Weil´s uninteressant ist. Alles Gemachte und von oben Bestimmte, und alles, was die ganze Zeit ausposaunt wird, ueber Zeitung, ueber Radio, ueber Grossveranstaltungen. Gleicht einer Gehirnwaesche, und das find ich auch uninteressant. Ich glaub, das es genug Leute gibt jenseits davon wirklich bemerkenswerte Dinge, Dinge, die wert sind, gehoert, gesehen zu werden, produzieren.
Q: Wo liegt die ideelle Wahrheit?
A: Na, einfach sich dem entgegen zu stellen.
Q: Wo - welche Person - oder was - entgegen stellen?
A: Das weiss ich nicht, wie - man kann das jetzt - man kann es jetzt nicht personifizieren. Aber diese ganze Kulturmaschinerie, sozusagen.
Q: Ja, klar, die Personifizierung, das interessiert mich im Moment weniger. Mich interessiert - die Abstraktion zu umreissen.
A: Die Abstraktion ist natuerlich - eine finanzielle, es ist oekonomisch, beziehungsweise politisch. Was wird g´rad in die jeweilige Situation - des Landes, oder der Stadt oder wie auch immer - kulturpolitisch am besten hineinpasst. Das heisst in dem Sinne, womit man sich beschaeftigt, das ist man auch, irgendwie, gewisser Weise.
Q: Wie siehst Du das jetzt g´rad im Moment? Ganz konkret?
A: So viel ich mitbekomm von dieser Technoszene, ist das so, dass die Leute hauptsaechlich sehr viel arbeiten und dann abends eben sich bedroehnen. Das heisst dann, und das sind auch oft die Aussagen dazu, das man dann ferngesteuert ist. Und dass man die Kontrolle ueber sich verliert, beziehungsweise das einem Koerper durch die ganze Bilderflut und irrsinnig laute Musik mit diesem maschinengewehrartigen Rythmus einfach nicht dazu kommt, sich die Dinge durch den Kopf gehen zu lassen. Das heisst also, ok schon, aber die werden wie im Video eigentlich dann verarbeitet, nicht? Es geht alles so schnell, dass du eigentlich nicht dazukommst, das alles - zu verarbeiten. Das heisst, es wird irrsinnig viel Input gegeben, und - eher - mir kommt vor, dass dabei nichts Wirkliches ´rauskommt. Also, fuer meine Begriffe, aber das ist sehr persoenlich. Das ist alles andere als entspannend. Es wird also als Entspannung bezeichnet und betrieben, aber ich glaub´dadurch, dass die Reizueberflutung sowieso so gross ist, kann´s nicht so sein. S´gibt ja genug Leute, die das auch nicht aushalten, wenn irgendwo keine Musik ist, oder kein Bildschirm ist, oder - alles, das in die Richtung geht, also diese totale Technisierung [...]
Q: Was verstehst du unter Technisierung? Was haeltst Du davon, oder "gehst" Du da mit? Wie ist deine Meinung dazu?
A: Also ich kann natuerlich nicht - also - total "anti" - im Sinne von - "gegenueber stehen", weil ich mich ja der Mittel auch selbst bediene, hinsichtlich Computer und was alles dabei ist. Fernseher hab ich inzwischen nicht mehr, aber Radio trotzdem, Anrufbeantworter und solche Dinge. Aber ich denk mir, dass man sehr viel Bezug verliert einfach - durch diese totale Technisierung.
Q: Bezug wozu?
A: Zum Leben.
Q: Was heisst Leben fuer Dich?
A: Na, also - wuerd sagen, jetzt ganz - ahm - imitiert gesagt leben, also das, was sich bewegt.
Q: Was macht fuer dich Leben aus?
A: Ahm - eine selbststaendige Entwicklung. Das heisst keine ferngesteuerte - das ist irgendwie der Gegensatz, den ich machen moecht. Was man noch dazu sagen kann, ist das Bild nicht alles nach aussen zu verlagern an Wissen, sozusagen an Kunstfertigkeiten, oder Fertigkeiten ueberhaupt um leben zu koennen, sprich, Fortbewegung, und ich brauch nicht unbedingt ein Auto oder ein Flugzeug, und ich brauch nicht unbedingt einen Computer, um das zu wissen, aber in die Richtung geht das halt. Saemtliche Geraete, die das Leben einfach machen und all diese Dinge.
Q: Das heisst bei dir ist auch der sogenannte Umweltgedanke, oder das Umweltbewusstsein relevant.
A: Ja, sicher. Sicher. Also, mir faellt auch auf, das viele Leute diesen Bezug zum Leben ueberhaupt nicht haben. Und auch die Achtung vor dem Leben. Das wird alles irgendwie als Ressource angesehen, das ist etwas, das mich sehr stoert. Ich glaub das nicht, es gibt in der Physik sogar diesen Satz von der Energieerhaltung, und den wuerd ich manchen Leuten mal dringend empfehlen mal anzuwenden.
Q: Das ist Deine persoenliche Meinung dazu -
A: Das ist meine Meinung dazu, na sicher. Moecht ich auch jetzt nicht in dem Sinn dogmatisch vertreten, dass ich sagen wuerd, ok, ich kleide mich nur noch in Sack und Asche und leb irgendwo in einer Hoehle.
Q: Klar, dass du nicht in einer Hoehle leben willst -
A: Weil, diese Oeko - Bio - Welle ist auch nicht die richtige Loesung. Das heisst da zu sektieren und alle anderen Leute zu verdammen, fuehrt zu nichts, denk ich mal. Aber es ist schon wichtig, sich diese Dinge einfach bewusst zu machen.
Q: Also, die richtigen Werkzeuge zu gebrauchen, um einen - einfach besseren - Weg zu beschreiten? Zu finden? Und auch zu leben. Sowohl aktiv, als auch passiv. Zu leben und auch anzunehmen.
A: Ja. Natuerlich, auch mit den Mitteln, die da sind. Was weiss ich, Computer oder so. Man kann sicher sehr viel Wissen dadurch auch vermitteln, beziehungweise speichern. Bloss, wenn das nur ein externes ist, dann nuetzt das nichts. Es ist wie eine Bibliothek eigentlich, das ist die alte Idee einer Bibliothek, das ist genau dasselbe, bloss halt technisiert.
Q: Die alte Idee der Bibliothek?
A: Na, die alten Bibliotheken gibt´s schon seit, ich weiss nicht wieviel tausend Jahren. Wo halt das Wissen irgendwie versucht wird zu speichern, damit man Zugriff d´rauf hat. Weil, man kann nicht alles im Kopf haben. Natuerlich gibt´s einmal Leute, die das anstreben, das ist klar, aber - ich denk mir es ist auch wichtig, die Position einzunehmen, das man was lernen kann und nicht zu sagen, ich bin von vorn´herein so toll, dass ich selber alles weiss. Und nicht die Bereitschaft hat, sich mit Dingen, die ausserhalb des Horizonts sind momentan, zu beschaeftigen.
Q: Was meinst du, ist wichtig zu lernen?
A: Zusammenhaenge zu sehen.
Q: Zusammenhaenge - ahm - worauf bezogen? Individuell?
A: Auf alles. Ja, auf alles eigentlich. Ich denk mir, dass ist eigentlich wie eine Netzwerkidee, wie eine Welt im kleinen vielleicht auch, dadurch, dass halt alles irgendiwe miteinander zu tun hat. Weil ob´s die Leute sind, die Umstaende sind, die Materialien, die verwendet werden, das alles irgendwie - setzt Impulse, auf die man reagieren muss wiederum, und die man irgendwie - nicht im Sinne der Wahrscheinlichkeitsrechnung - mit denen man rechnen muss. Also, es hat keinen Sinn jetzt zu sagen, ok nach mir die Sintflut, ich mach das alles irgendwie. Obwohl in dieser Aussage dieses Wissen schon d´rinnen steckt. Wenn man sagt, nach mir die Sintflut, dann weiss man´s wenigstens. Dass danach irgendwas kommt. Sogar im Poitiven, wie im Negativen. Also, das heisst dann, das du reagieren lernst, aber -
Q: - dass ein Mensch irgendwie weiterdenkt und sagt, ok, ich weiss es und niemand sagt "hinter mir die Sintflut", sondern ganz bewusst versucht - in guter Art - im Sinne von Qualitaet - weiter zu entwickeln.
A: Mmh. Sicher, natuerlich, das akzeptier ich auch, wenn jemand sagt "nach mir die Sintflut". Aber das heisst ja dann, da ist ja wiegesagt, dieses Wissen schon drinnen, dass ich keine Aktionen setzen kann, in welche Richtung auch immer, wo dann nichts d´rauf folgt. Das gibt´s nicht, das gibt´s nirgends. Da gibt´s auch in keiner Naturwissenschaft.
Q: Wie gehst du an neue Ideen heran?
A: - Na, offen. - (Lacht.) - Wobei, es gibt sehr viele Ideen, die sich neu nennen und aeussert reaktionaer sind.
Q: Reaktionaer in welchem Sinne?
A: Na, rueckschrittlich.
Q: Was bedeutet fuer dich Rueckschritt?
A: Also, Rueckschritt ist alles, das irgendwie, in eine Richtung Versklavung geht. Versklavung des Denkens, beziehungsweise - dass die Menschen zu Mitteln - Mittel zum Zweck, fuer irgendwelche Transaktionen, beziwhungsweise, ja - Entwicklungen.
Q: Ich hab da ein paar Stichworte aufgeschrieben. Ich wuensche mir, dass du ganz kurz spontane Antworten - freie Assoziation - geben kannst. Was sagst du zu "europaeische Zukunft"?
A: S´wird interessant.
Q: Lebensbereich Umwelt?
A: Na ja. Ich denk mir, dass viele Leute dafuer was tun. - Ich seh da schon ganz gute Entwicklungen, obwohl´s halt lang dauert.
Q: Was ist eine Utopie?
A: Das ist eine Theorie.
Q: Eine Theorie? Fuer dich.
A: Ja. Das sind idealistische Theorien, die aber nicht mit dem arbeiten, was ich vorher gewuenscht hab, also bei den Utopien, die ich kenn. Einschraenkend. Zum Beispiel, ich denk jetzt da an den Staat von Platon.
Q: Das repraesentiert fuer dich eine Utopie: Was bedeutet fuer dich Wirklichkeit?
A: Das, was ich erleb.
Q: Realitaet?
A: Na, das ist das. - Realitaet, ok, das wird dann gemeinhin auch etwas Theoretisches verkauft.
Q: Menschenrechte?
A: Die sollten mal nicht nur postuliert werden, sondern auch eingehalten.
Q: Religiositaet?
A: Monotheismus ist abzulehnen. - Das hat auch sehr viel mit Utopie zu tun. Sklavendenken. Das ist oft so irgendiwe eine Sache, wo - wo Menschen - entmuendigt werden, eigentlich immer. Also, ich denk da jetzt an monotheistische Religionen, hauptsaechlich, die so ueber die Erde verteilt sind.
Q: Lebensmut?
A: (Lacht.) - Das braucht man. [...] kritisch.
Q: Wie ist dein gesellschaftlicher Anspruch?
A: Sehr hoch. - (Lacht.) -
Q: Wie ist der geartet? (Lacht.)
A: Naja, ich hatt halt gern, ich mein das ist auch an mich eine Forderung, nach Toleranz und Offenheit, beziehungsweise Achtung gegenueber des Lebens. Bezieht sich nicht nur auf Menschen, sondern auf alles.
Q: Freiheit? Was bedeutet fuer dich ganz persoenlich Freiheit?
A: Meine Wirklichkeit leben zu koennen. Dorthin zu kommen, wie ich mir´s vorstell, dass ich leben kann.
Q: Wie ist deine Vorstellung - darf ich das Fragen - deine private?
A: (Zuendet sich eine Zigarette an.) Moeglichst viel Austausch zu haben, andererseits viel Ruhe zu haben, und Kommunikation mit anderen Menschen, beziehungsweise mit lebendigen Wesen umgehen zu lernen. Du sollst eben das wertsschaetzen, um des gewaltigen Energieaustausches, der da dauernd stattfindet, bewusst zu werden. Deswegen sag ich auch Kommunikation und andererseits Ruhe, weil wenn ich die ganze Input hab, komm ich nie dazu das zu verarbeiten.
Q: Worauf kommt´s dir da an?
A: Diese ganzen Beziehungen herauszufinden, dadurch das ich sie leb und dadurch, dass ich sie mir auch anschau. Also sowohl kontemplativ, als auch sehr im Leben stehen.
Q: Was bedeutet dir Kreativitaet?
A: Ich kann mir nicht vorstellen, wiegesagt ferngesteuert, Auftraege zu erfuellen, sondern ich denk mir es sehr wichtig, auch die Dinge, die mir wichtig sind, die mir am Herzen liegen, irgendwie wieder zu [...] am ehesten noch, etwas zu schreiben, oder im weiteren Sinne auch der Versuch, wobei dabei natuerlich sehr viel Arbeit dahinter steckt. In allem. Das heisst es gibt Aktivitaet, die man dann vielleicht eher fuer sich selber behaelt, oder eher nur in kleinerem Kreis, und andereseits noch d´ran arbeitet, weil ich in gewissem Sinn schon perfektionistisch bin und nicht so viel von improvisierten Dingen halte, die dann auch zu praesentieren sind.
Q: Was bedeutet Friede fuer dich?
A: Das hat hauptsaechlich mit Toleranz zu tun, denk ich mir.
Q: Kannst Du das irgendwie ausfuehren?
A: So lange man immer die Vorstellung hat, dass man Herrschaft haben muss - ueber Personen, ganze Voelker oder Tiere, oder die Natur - kann es sowas wie Frieden natuerlich nicht geben. Das ist klar. Das haengt mit der Projektion zusammen, denn du kannst nicht die ganze Zeit unterdruecken, oder irgendetwas, oder unterjochen, ist vielleicht das beste Wort dafuer, und dann annehmen, dass da keine Reaktion kommt, dass ist die bekannte pax humana. Das heisst saemtliche Landstriche sich zu unterwerfen und dann zu glauben, dass die Leute Ruhe geben und zufrieden sind, ploetzlich etwas Anderes aufoktruiert zu bekommen, und sagen "Danke! Danke!".
Q: Unter anderem sprichst du auch vermutlich auch kulturelle - Versklavung an.
A: Ja, absolut. Deswegen hab ich ja in Bezug auf messing gemeint , dass es wichtig ist kleinere Stroemungen oder Tendenzen heraus zu stellen - solche die´s wirklich gibt.
Q: Was haeltst du von den Veranstaltungen im WUK? Oder besser gefragt - wie findest du´s?
A: Ich find, es sind sehr viele Sachen dabei, die mich interessieren. Sei es jetzt, auch abseits vom Mainstream, Fotoausstellungen, als auch, ich war bei mehreren Konzerten dort, zum Beispiel diese Percussionband Guem, und dann Tanzsachen, [...] Das find ich eigentlich sehr gut, es ist recht breit gestreut. Obwohl natuerlich auch einige Sachen sehr kommerziell sind. Grad so Konzerte -
Q: Welche Konzerte hast du gesehen?
A: Guem, und - das weiss ich nicht mehr, s´ist schon laenger her - und eine aehnliche Band -
Q: Was bedeutet Musik fuer Dich?
A: Das ist das Wichtigste. Wenn ich einen Kunstturm bau, dann waer das sicher das hoechste. Ja, weil´s eben abseits von Wort und Bild - ahm - vermittelt.
Q: Was vermittelt?
A: Alles.
Q: Was ist System?
A: [...] oder kapitalistisches oder kommunistisches System, oder sonst irgendwas. So ein System begleitet irgendwie das ganze Ineinanderhaken von verschiedenen Dingen. Also natuerlich, Ideologie, Philosophie, Oekonomie. Alles. Ackerbau. Dieses grosse ist aufgebaut aus kleinen Systemen. [..] rauszukommen
Q: Was fuer eine Rolle spielt fuer dich da Philosophie?
A: Eine tragende. Fast eine prophetische. Wenn du dir anschaust, dass die Philosophen, und fuer mich gibt´s nicht so eine klare Trennung zwischen Philosophie und Literatur. Von Literatur die sich auch mit Geschehnissen auseinandersetzt, sei es jetzt historisch, oder ja einfach tiefergruendig, sprich nicht irgendwelche Trivialliteratur, obwohl das [...] Aber, was da alles an Denken entwickelt wird, wuerd ich sagen gibt es ein sehr gutes Bild von der Zeit, wie sie ist. Etwas, was gedanklich erarbeitet wird. Das ist zum Teil sehr prophetisch. Und es ist zum Teil auch noch beschreibend. Und viele Leute sagen, das ist mir zu kompliziert, zu abgespaced, das ist trifft eigentlich genau das, was es ist.
Q: Bevorzugst du einen bestimmten Philosophen, oder mehrere?
A: Ja, mehrere. Also, was ich sehr gern les, also allein von der literarischen Qualitaet her, ist der Michel Sarde, weil er´s eben schafft, so wo er auch herkommt, ich glaub von der Mathemathik und Philosophie, diese Kombination, veranlasst ihn zu speziellen Gedankenspruengen. Das ist in einer literarischen Form eine Freude zu lesen und unglaublich. Das ist angenehm zu lesen und unglaublich anregend. Er versucht auch diese komischen Grenzen, die da immer aufgezogen werden, abzubauen. Er kann genauso aus der Literatur, wie aus irgendwelchen naturwissenschaftlichen Gegebenheiten, oder auch vielleicht politischen Parallelen zurueckzielen, auf was er gerade hinarbeitet. Oder Fabeln, irgendwelche Bilder. Das benutzt er alles.
Q: Ein Zeitgenosse?
A: Ja. Michel Serre ...
Q: Und -?
A: Es gibt viele. - Derrida. Bis zu einem gewissen Grad - nicht mit Fanatismus - aber der Ansatz ist sehr interessant. Auch sehr poetische. Die Sprache. Aber, nur die Sprache eigentlich. Sich die Worte anzuschauen. Das ist sehr wichtig. - Kampl (?). Sloterdijk.
Q: Dein Lieblingsautor?
A: Das kann man nicht sagen. Viele. Bachmann. Goethe. - Was hab ich denn noch gelesen? - In letzter Zeit diese alten walisischen Sagen, das sind ja keine Autoren in dem Sinn. Also, solche Ueberlieferungen auch. -
Q: Was sagen dir griechische Sagen?
A: Schwierig. Ich denk mir, dass da auch sehr viel, man kann man gut vergleichen mit der Situation von der Arthuslegende. Ich glaub, dass da sehr viel herum - getueftelt und gearbeitet worden ist, bis das irgendwann schriftlich naeher festgelegt worden ist. Ich glaub auch im Vergleich mit aelteren Mythen, die oft ja sehr aehnlich sind, das sich das irgendwie herausloesen laesst, auch historisch gesehen. Ich glaub also, das ist natuerlich mein Verdacht, dass sobald sowas aufgeschrieben wird, ein gewisser Zweck damit verfolgt wird. - Mit Vorsicht zu geniessen, s´ist aber sehr interessant, weil´s natuerlich Einblick in ein Weltbild gibt. - Und so gibt´s ja auch diejenigen, die Aelteren, und wie sich die Goetter wandeln, und wie sie frueher geheissen haben und welche dann zusammengefasst werden und so weiter. S´ist immer dasselbe. Als Unterschied [...]
Q: Was ist Kultur fuer Dich? Was bedeutet Kultur?
A: Also, wuerd eher sagen, Kulturkreis, einfach. Die Errungenschaften und Machenschaften von Leuten, die in einer gewissen Region eben zusammenleben. Und was sich da eben speziell irgendwie herausstellt. Sei es Kunsthandwerk, oder in der Literatur, oder in verschiedenen Geisteshaltungen. Also, je groesser, oder je "hoeherstehend", in Anfuehrungszeichen, Kultur ist, desto mehr hat sie Austausch mit anderen, desto mehr weiss sie ueber andere, versucht irgendwie auch offen zu sein. - Also, das ist nicht so ein grundeln im eigene Sand.
Q: Aus deinem Blickwinkel heraus betrachtet, gibt Merkmale von Kultur?
A: Sicher. Allein schon, wenn du irgendwo hinkommst und siehst, wie die Leute leben, wie sie wohnen, wie sie sich anziehen, wie sie ausschauen. Was sie fuer Musik machen. Sehr verschiedenartig. - Sehr interessant. Also ich denk mir, wenn man sich solche Dinge anschaut, oder ihre Kunst, wie die ist, ob sie darstellend ist, oder abstrakt ist. Das man da schon sehr viel sehen kann, ueber die Einstellung oder den Bezug, den sie eben haben. Zum Leben.
Q: Was bedeutet Kunst? Wie definierst du Kunst?
A: (Lacht.) - Ahm - vielleicht am ehesten als Ausdrucksmoeglichkeit, die mehrere Leute verstehen koennen.
Q: Im Sinn -?
A: Alo, in gewissem Sinn - etwas sehr Essentielles. Das heisst aus verschiedenen Eindruecken, ein Ding schaffen zu koennen.
Q: Ein Produkt?
A: Ich weiss nicht, ob das ein Produkt sein muss, weil Produkt, das klingt da irgendwie so nach traiding, Handel. Das kann auch etwas sein, das irgendwo steht, ein bearbeiteter Stein, der nicht weggetragen wird. Hat sehr viel mit Symbolen zu tun, denk ich mir.
Q: Was bedeutet Hoffnung fuer dich?
A: (Lacht.) Das Prinzip Hoffnung. - Das ist eine gute Defintionsmoeglichkeit fuer den ungefiederten Zweifel. (Lacht.)
Q: Was liest du derzeit?
A: Cortazar.
Q: Cortazar? Aha.
A: Cortazar. - Ich weiss den Vornamen nicht mehr.
Q: Welche Werke hat er - wo?
A: Ist zwar in Europa geboren, aber suedamerikanischer Abstammung. Hat dann lange Zeit in Paris gelebt, und in Argentinien.
Q: Was schreibt er?
A: Das Buch heisst "Himmel und Hoelle - Vallela". Hat auch sehr viele literarische Theorien in sich, an die sich das Buch selber haelt. Ist unglaublich gut. Also, die Theorien ueber den Roman. Das ist halt so, das sind drei Motive, ein Hauptteil und dann zwei Mittelteile. Du kannst die erste Geschichte durchlesen, aber du kannst auch so lesen, dass du die Assoziationen, beziehungsweise die Gedankengaenge, beziehungsweise die kleineren Ereignisse, die nicht so handlungstragend direkt beitragen, zwischenliest. Deswegen steht bei jedem Kapitel unten, bei welchem Kapitel du weiterlesen kannst. Das ist ganz illusionaer, Du kannst auch ueberall anfangen. Das ist toll.
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Autor / Quelle: Amber, Sybille
Stichworte / Suchbegriffe: Interview.Suzy.1994
Sonstige Vermerke:Wissenschaft; Susanne Karr

© Sybille Amber: Intellectual Property 2005

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